
Protokoll des 10. Kolloquiums über die Anwendung der
Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften
an der Universität Tübingen vom 26. Juni 1976
Eine Reihe der hier angedeuteten Möglichkeiten muß allerdings in der Praxis erst noch erprobt werden.
Das Kurzreferat ging von der Erfahrung aus, daß man sich als
Philologe nur schwer in ein vorgegebenes Kodierungssystem
hineinfindet; man kann sich nicht vorstellen, wie die weitere
Verarbeitung vor sich geht, und man will bei der Datenaufnahme
dann doch Dinge berücksichtigen, für die es bis zu diesem
Augenblick keine Standardkodierung gibt. Besonders leicht hat
man es, wenn man selbst programmiert und seine Konventionen in
dem Rahmen, den die verwendeten Grund- und Anschlußprogramme
bieten, selbst festlegt. Immer noch günstig ist es, wenn man die
wesentlichen Schritte der Verarbeitung durchschaut. Jedenfalls
aber ist es von Nutzen, über Umkodierungsmöglichkeiten Bescheid
zu wissen; man erweitert damit seinen durch wirkliche und
vermeintliche technische Zwänge begrenzten Spielraum.
Es wurden mehrere Arten von Überführung eines Textes aus einer
Kodierung in eine andere herausgehoben; für den größeren Teil von ihnen gibt es hier in Tübingen schon Standardprogramme:
Oft ist verschieden umzukodieren je nach der Stellung von Textpartien innerhalb oder außerhalb von Anfangs- oder Schluß-Steuerzeichenketten (Klammern); eine Rolle spielen auch Anordnungsmarken, die nicht in Zeichenketten, sondern in eine bestimmte Aufteilung und Anordnung des Textes umzusetzen sind (und umgekehrt).
Der Nutzen leichten Umkodierens liegt darin, daß man für jede Art der Beschäftigung mit dem Text diesen in eine geeignete Form bringt: für Schreiben, Korrigieren, Durchsuchen und Aufschlüsseln nach Merkmalen, Setzen und vieles andere. Auch muß dann nicht jede Einzelheit der Auswertung vorher geplant werden, nur sollte man keinen ungedeckten Zuwachs an Informationen erwarten.
Zum Beispiel braucht man sich bei der Textaufnahme nicht auf den kritischen oder einen Lesetext oder den diplomatisch wiedergegebenen Text als alleinigen Gegenstand der Verarbeitung festzulegen; wo sich das eine aus dem anderen nicht per Programm herstellen lassen will (dies ist das Gewöhnliche), kann man einen 'mittleren Text' aufnehmen, aus dem sich durch Umkodierung die genannten Ausprägungen erzeugen lassen, ohne daß die Aufnahme in jedem Fall überlastet werden müßte.
Ott wies auf die Entstehungsgeschichte der Tübinger
Code-Vorschläge (die für Eingabedaten für das Satzprogramm
verbindlich sind und teilweise deshalb auch in anderen
Programmen bevorzugt unterstützt werden) hin, die an die
verschiedenen jeweils vorhandenen Daten-Eingabe-Medien gebunden
ist: Lochstreifen-Schreibmaschine, OCR, SIG51, Lochkarte für
Korrekturzwecke und Programme/Programmaufrufe (Parameter).
Fichtner bedauerte mangelnde Kompatibilität der verschiedenen
Engabemedien, was den Herstellern zum Vorwurf gemacht werden
könne.
Sappler schlug als Alternative zur "starken Anlehnung" an
vorhandene Codierungs-Anweisungen vor, sich beim Start eines
Projektes zu überlegen, welche Anforderungen an die Codierung
gestellt werden, und anhand vorhandener Anweisungen sich eine
optimale Codierung zusammenzustellen. Das Ausnützen der
Variabilität der Codes führt oft zu erheblicher Vereinfachung
und folglich größerer Fehlerfreiheit in der Erfassung.
Die Diskussion ergab, daß die Frage der unterschiedlichen
Code-Vorschriften auch an der personellen Ausstattung eines
Projekts orientiert werden sollte: Je nachdem, ob jemand allein
arbeite oder mit Schreibkräften (mit jeweils verschiedenen
Aufgaben), gelten andere Überlegungen.
Die Praxis am ZDV war bisher, daß die Codes bei Beratung nach
den Erfordernissen eines Projektes vorgeschlagen wurden (u.U.
auch mehrere verschiedene Code-Vorschriften, wobei aber die
Aufgaben möglichst sauber zu trennen sind).
(Die Kurzfassungen der Referate wurden von den Referenten zur
Verfügung gestellt.)
Georg Steer (Seminar für Deutsche Philologie, Universität Würzburg)
Erwartungen eines Textherausgebers von der EDV.
Die Möglichkeiten, EDV bei der Edition von mittelalterlichen
deutschen Texten zu nutzen, sind vielfältig. Allerdings verlangt
die Ausnutzung der durch EDV gebotenen Hilfsmittel auch eine
beträchtliche Umstellung des editorischen Verfahrens.
Erfüllte und erfüllbare Forderungen
Sonderschreibung oder Schreibfehler (1 megen gegen 30 mögen);
genereller und abweichender Gebrauch;
Varianz der Worte und Wortformen sowie deren Authentizität
(lebend : lebendig);
bestimmte Satzmuster, Satzanfänge, Nebensatzkonstruktionen,
Textgliederungszeichen (Interpunktion);
durch die alphabetische Auflistung Fehlentscheidungen
des Editors, fehlerhafte Abschriften und Texteingaben
(ischof - bischof).
Paul Sappler (Deutsches Seminar)
Vor-Überlegungen zur Textaufnahme
(Codierungsprobleme im Hinblick auf Edition)
Diskussion
In einem kurzen Beitrag schilderte G. Fichtner seine Erfahrungen bezüglich des Codierungsproblems. Schwierigkeiten entstünden auf zwei Ebenen:
Man lerne am besten, wenn man sich an
Vorhandenes anschließt - später könne man individuell vorgehen;
Es sei unumgänglich, mit verschiedenen Medien zu
arbeiten, wodurch z.B. beim Übergang von der Schreibmachlne
(OCR) auf das SIG51 die Codierung zu ändern sei. (Als praktisch
erweist es sich, darauf zu achten, daß man für die Codes
Zeichenfolgen wählt, bei denen Groß/Kleinschreibung nicht allzu
häufig abwechselt).
Beispiel: Doktoranden
einerseits (die nur ihr eigenes Projekt bearbeiten) und
Datentypistinnen andererseits (die auf die Dauer an
verschiedenen Projekten arbeiten).
Zur
Übersicht über die bisherigen Kolloquien
tustep@zdv.uni-tuebingen.de - Stand: 19. März 2002